21 November 2008

Roman dit: Gefühlte -18°C

Hallo Deutschland,

heute in einem Monat werde ich einigen lieben Leuten leider schon Lebewohl sagen müssen; das Ende rückt nun so langsam in Sichtweite, und die Zeit scheit nur so an einem vorbeizufliegen. Zeit für ein kurzes Lebenszeichen aus Québec: Was ist passiert?

Während Thomas in Boston wohl etwas mehr als eine Tea Party veranstaltet hat, bin ich am letzten Freitag mit der Gruppe der Austauschstudenten in eine "Cabane à sucre" gefahren, eine Ahornsirupfabrik. Dort haben wir neben der obligatorischen Besichtigung inklusive kleiner Kostproben auch einen schönen Abend verbracht, den wir selbst musikalisch mitgestalten durften und bei dem wir am Ende auch noch zum Tanz aufgefordert wurden.
Auf der Bühne durfte ich unter anderem mit einer Schwedin "Imagine" von John Lennon im Duett singen - Gänsehautatmosphäre!
Fotos vom Abend gibt es wie immer in meinem Album auf der rechten Seite zu sehen.

Diese Woche gab es in der Uni mal wieder etwas mehr zu tun, was sich leider bis zum Ende auch nicht mehr signifikant ändern wird. Bis nächsten Freitag muss ich so eine 15-seitige Hausarbeit über die Integrationspolitik der Québécois verfassen, es war allein schon ein Riesenspaß bis jetzt den 100-seitigen Ministeriumsbericht durchzuackern, und danach beginnt auch schon die Klausurphase, aber wir sind hier ja auch nicht bei "Wünsch dir was"!

Auf unserem Gang hat sich neben dem Duschpinkler, den ich vor kurzem auch einmal auf frischer Tat ertappt habe, ein weiterer Mitbewohner als Freak entpuppt.
Leider war ich gerade im anderen Pavillon Mexikanisch kochen, als er wohl die Sicherheitskräfte der Uni bestellt hat, um sich über die "deutsche Verschwörung" auf dem Gang zu beschweren. Die anderen meinten er hätte lange mit der Sécurité diskutiert und wohl minutiös mitgehalten, wann es mal zu laut auf dem Gang gewesen wäre und sich dabei so échauffiert, dass er in Rage nur noch die Namen "Alex" und "Patrick" und "Allemands" gebrüllt hätte. Ebenfalls noch gar nicht erzählt habe ich euch von meinem Nachbarn, der immer komisch in sich hineinlacht statt zu grüßen, wenn man ihn auf dem Gang trifft... es ist schon ein lustiger Flur, den wir hier bewohnen.



Erste Winterimpressionen habe ich auch ins Fotoalbum auf der rechten Seite gestellt. Es wird so langsam empfindlich kalt, und auch wenn der Schnee von Montag schon wieder geschmolzen ist, so ist es jetzt nur noch eine Frage von Tagen, eher sogar von Stunden, bis es wieder schneit und der Schnee diesmal auch liegen bleibt.

Gestern abend war es -8°C kalt auf dem Thermometer und der kalte Wind, der einem durch Mark und Bein ging, ließ die gefühlte Temperatur noch einmal um einige Grad sinken. Ein Kanadier sprach von gefühlten -18°C.
Ich habe die ersten Frostbeulen an meinen Händen bekommen, und meine Augen haben getränt, schutzlos dem kalten Wind ausgeliefert, der mit unbändiger Hartnäckigkeit mein Gesicht umweht hat... auf gut deutsch: es wird so langsam schweinekalt!
Aber das ist ja gerade das, was Kanada ausmacht, und jetzt steigt erst einmal die Vorfreude auf den ersten richtigen Schnee!

Liebe Grüße aus Kanada,

Roman

18 November 2008

Thomas dit: Wochenende in Boston

Hallo Deutschland,
am Wochenende stand der wohl letzte große Ausflug an. Donnerstags abends ging es los. Der Tag davor war ganz schön stressig. Ein perfektes Beispiel für die Arbeitsmoral einiger HECler. Ich hatte um 15.30 Montréaler Ortszeit eine Hausarbeit abzugeben, die ich mit einem Quebecer zusammen bearbeiten musste: 5 Seiten für jeden zum Thema: Motivation. Mittwoch nachmittag schicke ich, als Deutscher natürlich überpünktlich, ihm meine Sachen zur Korrektur. Donnerstag um 12 Uhr denke ich: "Rufst du ihn mal an. So langsam sollte er ja mal bei kommen mit seinen Sachen." Er erklärt mir stolz:"Je suis fini avec la premiere page" Die erste Seite sei fertig. Den Rest würde er wohl nicht mehr schaffen, schon garnicht das zusammensetzen der einzelnen Teile. Schließlich lief es darauf hinaus, dass ich 8 und er 2 Seiten geschrieben hat. Ob er es denn wenigstens ausdrucken könne, wollte ich wissen. "BIEN SUR". 2 Stunden später im Psychokurs bleibt der Platz neben mir frei. Mit einer Stunde Verspätung kommt er herein. Sein Drucker hätte keine Patrone mehr: Einatmen, ausatmen, immer schön ruhig bleiben. Das Problem hat sich dann so gelöst, dass ich bis 23 Uhr noch zu tun hatte um das Dokument neu zu designen und seine Rechtschreibfehler zu korrigieren. Ja, den Kurzurlaub hatte man sich danach verdient.
Um Mitternacht ging es dann also los. An der grenze verlief alles problemlos, meine Fingerabdrücke hatten sie ja schon. Am nächsten morgen kommen wir in Boston an und laden unsere Koffer im Hotel (außen pfui, innen hui [besser als anders rum])ab und machen uns direkt auf den weg in die Stadt. Heute wandeln wir in einer kleinen Truppe auf dem Freedom Trail auf den Spuren der Amerikanischen Unabhängigkeit. es handelt sich um eine rote Linie, die durch ganz Boston schlängelt und dabei Orte der Geschichte ansteuert.



Noch schnell ein Bad im Whirlpool des Hotels und dann Basketball am Abend: Boston Celtics gegen Denver Nuggets! Ich lass hier einfach mal die Videos sprechen, weil man die Atmosphäre in dem Stadion nicht beschreiben kann.



Das einzige, was ein wenig nervt ist die Tatsache, dass die Amerikaner da, trotz der hohen Kartenpreise von 80$, nicht hingehen um ein Spiel zu sehen, sondern um sich Bier (9$ das Glas) und Essen (viel Essen) zu kaufen. Daher muss man alle drei Minuten für jemanden aufstehen, der ohne ein Wort der Entschuldigung zu sagen durch die Reihe wälzt. Dennoch war das Spiel ein tolles Erlebnis und sehr beeindruckend. Zurück im Hotel laden mich meine bis dahin unbekannten und sehr netten Zimmergenossen auf ein Gespräch ein. Mit zunehmendem Alkoholkonsum finden sie mein Französisch immer besser, was mir sehr schmeichelt.
Am nächsten Morgen, erst mal das Frühstück. Pancakes, selbst zusammengestellte Omlettes, Donuts, Ahornsirup, frisches Obst,...uns geht es gut. Danach begeben wir uns alle im Bus auf eine sehr informative Stadttour, besuchen die jungs aus Harvard und vom MIT (die auch nur mit Wasser kochen) und sehen eine schöne Stadt Boston, die mehr nach Europa kommt als das amerikanische New York.



Wir besuchen die Ducklings, Statuen einer Entenfamilie, für die Jahre lang täglich eine Hauptstraße in Boston gesperrt wurde, weil Mama Ente von einem Park in den anderen wechselte.



Der Nachmittag ist Shopping, den Outletcentern und der Innenstadt gewidmet, bis es dann zum ebenfalls leckeren Abendessen wieder ins Hotel geht. Sonntag bleibt noch etwas Zeit um das Reichenviertel Bostons zu durchforsten und das Wochenende schön ausklingen zu lassen. Hier hat zum Beispiel mal John Kerry gewohnt und das nicht ohne Grund. Es ist einfach sehr schön.

Auf der Heimfahrt schauen wir "Auberge Espagnole 1 + 2". Schon verrückt. Das ist ein bisschen das, was wir hier so erleben (und tatsächlich wechseln einige der Austauschstudenten ihre Freunde/innen so oft wie Xavier im Film).
Als ich schließlich mit Koffer wieder in Montréal an meiner Wohnung ankomme, ist keiner da (ich hab keine Schlüssel, weil ich einem Freund übers WE mein Zimmer überlassen habe). Das Handy der Mädels ist aus. Nach 2 Stunden Schlaf vor meiner eigenen Wohnungstür kommen die Mädels. Ich falle ins Bett und ein wirklich tolles Wochenende ist vorbei.

bis in einem Monat,
Thomas

PS: Fotos wie immer im Album

08 November 2008

Roman dit: Höhen und Tiefen

Hallo Deutschland,

ich will gar nicht lange um den heißen Brei herumreden: Ich habe am Freitag zum ersten Mal in meinem Leben Eishockey gespielt! Es war ein Riesenspaß!

Unsere Buddys hatten für uns Austauschstudenten knapp zwei Stunden lang das Eisstadion gemietet, so dass wir uns ordentlich austoben konnten.
Zwei Teams à 12 Mann, dazu ständiges Wechseln, was auch wichtig war, da das Spiel schon sehr schlaucht, erst recht, wenn man die schwere Ausrüstung die ganze Zeit mit sich übers Eis schleppen muss. Das Ankleiden allein hat mit Sicherheit eine halbe Stunde gedauert, und unter Schonern und Helm schwitzt man wie ein Irrer. Mein T-Shirt ist glaube ich heute noch so nass, dass man es auswringen könnte, aber das war es allemal wert. Wie es nach dem Spiel in der Umkleide gerochen hat könnt ihr euch mit Sicherheit vorstellen.

Noch besser, dass unser grünes Team sich mit 7:3 gegen die schwarzen Hemden durchsetzen konnte; Alex traf allein 2 Mal. Ich blieb torlos, wurde dagegen in einen heftigen Zweikampf kurz vor der Bande verwickelt, der am Ende für uns beide in einem spektakulären Sturz auf dem Eis endete und von den weiblichen Zuschauern auf den Rängen mit einem heftigen Johlen quittiert wurde.
Alles in allem eine unvergessliche Erfahrung!



In der Universität läuft es wieder gut an:
In Management mussten wir am Mittwoch eine Präsentation über die Grameen Bank und Mikrokredite in Bangladesh halten, für die uns das Professorenteam sehr gelobt hat. Auch die ersten Ergebnisse sind da: In Marketing habe ich als einziger Ausländer unter mehr als 30 Kanadiern die zweitbeste Klausur geschrieben, trotz Sprachbarriere, was mich auch ein wenig verwundert hat. In Soziologie habe ich meinen Aufsatz zurückbekommen und von 20 Punkten 20 bekommen, was einem A+ gleichkommt, unten drunter stand nur kurz und knapp: "Votre français est exemplaire!"

Obwohl ich natürlich froh bin, solch überraschend gute erste Ergebnisse erreicht zu haben, weiß ich das einzuordnen, schließlich zählt das Meiste gerade einmal ein Drittel von der Gesamtnote, und die richtig großen Hämmer kommen erst zwischen Ende November und Mitte Dezember auf mich zu, wenn ich innerhalb kürzester Zeit fünf/sechs Abgaben und zum krönenden Abschluss noch vier Klausuren zu schreiben habe... Olli Kahn würde sagen: "Immer weitermachen"

Dennoch gibt es im Leben nicht nur Höhen, sondern auch Tiefen.
In meinem vierten Fach "Gestion des équipes de travail" hat meine Gruppe ziemlich lieblos eine Arbeit eingereicht, ohne Seitenzahlen und Struktur, so dass wir dort ein wenig ernüchtert von der doch etwas schlechteren Note sind. Zudem wird es im Moment in Québec ein wenig ungemütlich: Der Wind peitscht durch die Straßen, der uselige Novemberregen klatscht an die Scheiben, und der Hals kratzt ein wenig. Unter anderem habe ich morgen auch noch ein Ganztagsseminar, auf das ich keine Lust habe... es ist nicht alles rosarot im Leben.

Ich fühle mich trotzdem weiterhin sehr wohl und sende Grüße nach Deutschland und in die ganze Welt,

Roman

PS: Bilder vom Eishockeyspielen findet ihr im Ordner "Fotoalbum - Roman", viel Freude damit!

Unser Weg


Montréal - Kingston - Toronto - Niagara Falls - Algonquin Nationalpark - Ottawa - Montréal

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